top of page

Meine To-do-Liste hat Gefühle – sie rächt sich, wenn ich sie ignoriere


„Meine To-do-Liste hat Gefühle – sie rächt sich, wenn ich sie ignoriere.“

Ein Beziehungsdrama in drei Akten und 47 offenen Punkten.


Ich habe sie selbst geschrieben.

In lila Tinte, auf handgeschöpftem Papier.

Mit Kästchen zum Abhaken.

Es war Liebe auf den ersten Blick.

Doch jetzt liegt sie da.

Starr.

Fordernd.

Lautlos vorwurfsvoll.

Meine To-do-Liste.

Und ich glaube, sie ist sauer.

Ich kann es spüren.

Immer wenn ich sie ignoriere, tauchen neue Punkte auf.

Ich schwöre, ich habe „Fenster putzen“ nie aufgeschrieben.

Und auch nicht „alte E-Mails löschen“ oder „Lebensplan überdenken“.

Das macht sie selbst.

Sie wächst.

Wie ein aufgestautes Gespräch mit einem passiv-aggressiven Ex.


Früher dachte ich: Listen helfen mir.

Sie strukturieren mein Leben.

Sie geben mir Halt.

Heute denke ich: Diese Liste ist ein emotionales Minenfeld mit kariertem Hintergrund.

Sie kennt meine Schwächen.

Sie weiß genau, dass ich „Steuer machen“ immer ans Ende schreibe.

Sie weiß, dass ich bei „Anrufen“ so tue, als hätte ich den Eintrag übersehen.

Und sie vergisst nichts.

Sie ist nachtragender als meine Großtante.

Ich habe sogar versucht, es mit ihr zu besprechen.

Ich schrieb „Ruhe gönnen“ ganz oben hin – ein Friedensangebot.

Ich wollte unsere Beziehung heilen.

Aber sie hat gelacht.

Und darunter geschrieben: „Endlich mal wieder Wäsche.“

Ich glaube, meine To-do-Liste liebt mich nicht.

Sie will nur, dass ich funktioniere.


Aber ich bin nicht bereit für so ein toxisches Commitment.

Ich bin kein Projekt.

Ich bin ein Mensch.

Und ja – vielleicht kaufe ich mir heute ein leeres Notizbuch.

Ohne Linien.

Ohne Punkte.

Nur weiße Seiten.

Platz für Möglichkeiten.

Und für ein Leben, das auch ohne Häkchen Sinn macht.

Denn manchmal ist das Schönste am Tag: Was man alles nicht geschafft hat.


Comments

Rated 0 out of 5 stars.
No ratings yet

Add a rating
bottom of page