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Kolumne am Samstag. Scroll dich glücklich – ich probiere es mit Nichts.

Aktualisiert: vor 1 Tag


Ich weiß nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal richtig gelangweilt habe. So richtig.

Nicht „Ich hab grad nichts zu tun“, sondern:

Ich starre seit zwölf Minuten auf einen Fleck an der Wand und frage mich, ob er zurückstarrt.


Früher war Langeweile ein Zustand.

Heute ist sie eine technische Störung.


Ich langweile mich nicht – ich optimiere.

Podcasts beim Zähneputzen, Nachrichten im Stehen, Sprachnachrichten in der Dusche.

Mein Alltag ist ein Effizienz-Bootcamp mit WLAN.


Selbst in der Warteschlange bei DM analysiere ich meine Hautpflegeroutine auf molekularer Ebene.

Warum?

Weil ich kann.

Und weil ich offenbar allergisch bin gegen Leere.


Denn Stille ist gefährlich.

Im Nichts lebt das Nachdenken.

Und das führt zu Entscheidungen.

Oder schlimmer: zu mir selbst.


Deshalb fülle ich jede Pause mit Geräusch, Bewegung, Information.

Nur nicht diese unheimliche Ruhe zulassen, in der man plötzlich anfängt, Fragen zu stellen wie:

Bin ich eigentlich glücklich?

Was mache ich da eigentlich die ganze Zeit?


Dabei war Langeweile mal ein offenes Fenster.

Heute ist sie ein Softwarefehler.


Ich hätte gern wieder ein bisschen davon.

Nur fünf Minuten.

Kein Bildschirm. Kein Geräusch. Kein Algorithmus.

Ein leerer Moment, in dem nichts passiert –

außer mir selbst.


Aber stattdessen?

Scroll ich mich weiter durch den Tag.

Und nenne das: Leben.


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