Was, wenn Hass ein Wegweiser ist?
- Fräulein Kitty
- 2. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 1 Tag

Hass. Dieses schwere, ungeliebte Wort. Kaum jemand will es laut aussprechen. Es wirkt roh, dunkel, gefährlich. Es wirkt böse. So, als müsste man sich dafür schämen, es überhaupt zu empfinden. Doch ich sage dir etwas, das viele nicht hören wollen: Ich habe gehasst. Und vielleicht tue ich es manchmal noch.
Ich hasse, wenn Menschen anderen mutwillig wehtun. Wenn jemand meiner Familie schadet. Wenn ich spüre, dass jemand nur darauf aus ist, zu zerstören, zu spalten, zu kontrollieren. Ich hasse nicht, weil ich kalt bin. Im Gegenteil: Ich hasse, weil mir etwas zutiefst am Herzen liegt.
Und ich finde: Das ist nichts, wofür man sich schämen muss.
Viele Menschen haben Angst, zuzugeben, dass sie hassen. Sie fürchten, als „schlechte Menschen“ dazustehen – als hart, als unfair, als extrem. Aber ich glaube: Das Gegenteil ist wahr. Menschen, die ehrlich sagen können, was sie hassen, sind auch in der Lage zu erkennen, was ihnen schadet. Sie spüren ihre Grenzen, sehen klarer, wo Gefahr lauert – für sich, für andere, für das, was ihnen wichtig ist. Und genau das macht sie bewusst. Wach. Und auf eine stille Weise sogar sehr liebevoll – weil sie sich selbst ernst nehmen.
Denn Hass ist nicht immer falsch. Manchmal ist er ein Schutz. Ein instinktives Aufbäumen. Ein „Bis hierhin – und keinen Schritt weiter! “Er zeigt mir, wo meine Grenzen verlaufen. Wer nicht bleiben darf. Wer mir nicht guttut. Hass trennt. Und ja – manchmal ist genau das notwendig. Nicht jeder verdient meine Nähe. Nicht jeder verdient mein Verstehen.
Psychologisch betrachtet ist Hass oft ein Produkt starker Emotionen – von Schmerz, Wut, Angst, Überforderung. Aber das heißt nicht, dass mit uns etwas nicht stimmt. Vielleicht ist es genau umgekehrt: Vielleicht funktioniert in uns gerade etwas sehr klar. Vielleicht erkennt unsere innere Stimme eine Gefahr, noch bevor unser Kopf sie in Worte fassen kann.
Ich glaube nicht, dass der Mensch fähig wäre zu hassen, wenn dieser Impuls in seinem Leben keinerlei Bedeutung hätte. Hass ist nicht bloß ein Ausbruch – er ist ein Hinweis. Auf Unrecht. Auf Bedrohung. Auf das, was mit unseren Werten nicht vereinbar ist. Auf das, was wir lieben und schützen wollen.
Vielleicht ist Hass nicht das Gegenteil von Liebe – sondern ihr Wächter.
Natürlich kann Hass zerstören, wenn wir ihn nähren, wenn wir ihn zum Zentrum unseres Denkens machen. Wer nur noch hasst, verliert irgendwann sich selbst.
Aber genauso gefährlich ist es, gar keinen Hass zu empfinden.
Denn auch das kann ein Zeichen von Naivität sein – und wer nichts als bedrohlich erkennt, kann sich nicht schützen.
Wer nichts ablehnt, setzt keine Grenzen.
Wer alles akzeptiert, verliert leicht den Blick für das, was wirklich gefährlich ist.
So kommt man im Leben nicht weiter – weil man übersieht, was einen schwächt.
Weil man nicht spürt, was wirklich wichtig ist.
Hass ist nicht schön. Und ja – er wirkt böse. Aber er ist nicht böse. Er ist eine Emotion. Und Emotionen sind weder gut noch schlecht – sie sind. Sie erzählen von dem, was in uns lebendig ist. Von dem, was wir brauchen, was wir schützen, was wir verloren haben. Und vielleicht sollten wir aufhören, Hass reflexhaft wegzudrücken – und stattdessen fragen, was er uns sagen will.
Wir sind keine schlechten Menschen, nur weil wir hassen. Wir sind fühlende Wesen. Und Gefühle wollen nicht verurteilt werden, sondern verstanden. Entscheidend ist nicht, ob wir hassen – sondern, wie viel Raum wir diesem Gefühl geben. Und was wir daraus machen.
Ein gesundes Maß an Hass kann ein innerer Kompass sein. Er kann uns vor Menschen warnen, die uns nicht guttun. Er kann helfen, sich abzugrenzen. Klarer zu sehen. Und stärker für das einzustehen, was uns wirklich wichtig ist.
Hass ist ein Teil von uns. Nicht der schönste. Aber auch nicht der schlechteste. Und vielleicht beginnt Reife genau dort, wo wir aufhören, unsere dunklen Seiten zu verurteilen – und anfangen, sie zu verstehen.

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